Ränge

Da diese Webseite versucht, Ordnung in die Informationen über Kosaken zu bringen, versucht sie, idealtypische Strukturen zu schaffen oder abzubilden. Das ist zwar sachbezogen und durchaus nachvollziehbar, suggeriert aber auch eine Formalisierung, die es nicht gegeben hat.

Um es kurz zu sagen: Ich bin bis in die 1680er Jahre auf keine Quelle gestoßen, in der sich beispielsweise ein "choružyj" und ein "bunčužnyj" darum gestritten hätten, wer von beiden nun der Würdigere oder bessere Kompetenzen hätte. Im Gegenteil etwa zum russischen Bojarentum waren solche Rangstreitigkeiten auf "sekundärer" Ebene in der Ukraine völlig unbekannt. Dies ist aber auch ein Zeichen dafür, wie wenig die Positionen zu dieser Zeit streng definiert oder voneinander abgegrenzt waren.

Im Grundsatz kann man aber feststellen, dass es Führer und Geführte gegeben hat. Die Führer wurden unterschiedlichen bezeichnet und besaßen ‐ zumeist undifferenzierte und nicht genannte ‐ Kompetenzen. Die Bezeichnungen richteten sich danach, in welchem Umfeld man sich bewegte (regulierte Verbände, irreguläre Söldner, Führer im Auftrag von Adligen, Führer von selbst ernannten Gruppen, Führer in Ortschaften, Führer von kleinen oder großen Gruppen usw. usf.). Das erschwert eine Kategorisierung oder Strukturierung in einer Datenbank erheblich und ist an manchen Stellen nicht immer korrekt.

Bleiben wir bei den Anführern so fassen wir diese zunächst als Personen, die eine Gruppen von Menschen befehligten und vertraten. Gemeinsames Kennzeichen sind direkte "face-to-face"-Beziehungen. Als solche direkten Führungspositionen finden wir in der Datenbank:

  • rotmistrz: Führer einer polnischen oder adligen Einheit, v.a. im Kontext des Söldnerwesens im polnisch-litauischen Reiches.
  • staršyj: Bis 1649 zumeist Führer kosakischer Einheiten, entweder regulärer (hier: Vorstufe des späteren het'man) oder irregulärer Gruppen, kosakischer Söldnerverbände, Aufstandsführer etc. Später (ab Mitte des 17. Jh.s) stoßen wir allerdings auf starši, bei denen der Begriff vermehrt nicht einen Rang, sondern eine soziale Position der Hervorgehobenheit (i.S.v. "Älteste") gemeint war. Für die letztere Variante wurde deshalb der "Rang" značnyj tovaryšč in der Datenbank verwendet.
  • kerivnik: Führer rein kosakischer, zu meist irregulärer Verbänd. 80% der Einträge zu den kerivnyky entstammen der Zeit vor 1650; danach wurden sie verwendet, um Aufstandsführer zu bezeichnen.
  • het'man, polkovnyk, sotnyk, [kurinnyj | horodovyj] otaman: Hier handelt es sich um die direkten Führungspositionen der regulierten kosakischen Verbände. Diese Rangbezeichnungen sind für die ukrainischen Kosaken seit 1638 gängig geworden, ‐ eine Ausnahme hierzu bildet allerdings der otaman.
  • otaman: Im regulierten Heer zwar nur die Bezeichnung für den Führer auf unterster Führungsebene wird dieser Rang besonders von Steppenkosaken (d.h. irregulären Kosakenverbänden, deren Zentren oder ideologischer Hintergrund auf die freien Kosakengemeinschaften im Steppenbereich rekurrieren) oder solchen Kosaken verwendet, die sich gegen eine etablierte Kosakenführung aufgelehnt haben. In der Datenbank finden wir solche otamany deshalb v.a. auf der Heeresebene verzeichnet. Russische Kosaken, bei denen der otaman analog zum het'man verwendet wurde, sind nicht in der Datenbank erfasst.

Bezeichnend für diese direkten Führer ist, dass für sie schnell auch Stellvertreter (nakazni) belegt sind. Dies ist wohl die Folge einer Vergrößerung der Kosakenverbände seit dem Ende des 16. Jh.s. Ein zentraler Führer ist nach wie vor die Identifikations- und Autoritätsfigur, der Verband ist aber so groß geworden und bei Abwesenheiten des Führers musste seine Autorität ersetzt werden, so dass einzelne Aufgaben an einen persönlichen Vertreter delegiert wurden. Stellvertreter finden wir im späteren Kosakenheer seit Bohdan Chmel'nyc'kyj (ca. 1649) immer wieder und sie werden auf allen Hierarchieebenen zum Standard. Anfangs sind es v.a. Vertraute des eigentlichen Führers. In der formalisierten Hierarchie des regulären Heeres nehmen fast durchgehend die osavuly diese Position wahr. Bezeichnenderweise sind die osavul-Ränge (v.a. im nordöstlichen Regiment Nižen) oft mit Familienangehörigen des eigentlichen Führers besetzt. ‐ Im 18. Jh. (darauf sei noch einmal deutlich hingewiesen) übernahm hingegen vornehmlich der oboznyj die Rolle des Stellvertreters; dies mag auf die wachsenden Rolle der Artillerie zurück zu führen sein.

Eine über diese direkte Führerschaft hinausgehende Strukturierung von Führungspositionen in fachliche Aufgaben (oboznyj [Lagerführer], pysar [Schreiber], sudd'ja [Richter], skarbec' [Schatzmeister] etc.) ist bis in die 1680er Jahre das prominente Kennzeichen des regulierten kosakischen Heeres oder solcher Verbände, die sich gegen dieses auflehnten, um seine Rolle zu übernehmen.

Das regulierte Kosakenheer seit 1638 ist gleichzeitig auch ein territorialisiertes Heer. Die Organisationsstruktur des Heeres unterteilt sich in die Hierarchieebenen: a) Heer, b) Regiment, c) Hundertschaft und d) Gruppe (kurinnja bzw. horod). Je nach Siedlungsschwerpunkt des jeweiligen Verbandes wurden auf den Ebenenn b) bis d) gleiche Rangstrukturen geschaffen, wie auf Heeresebene. So finden wir v.a. in den nordöstlichen kurinni in größeren Städte sowohl stellvertretende otamany wie auch pysari und osavuly. Hingegen haben die südlichen und südwestlichen Regimenter eine geringere Differenzierung ihrer Ranghierarchie aufgewiesen.

Hinweis: Für das Listing v.a. in den Registern wurden die Ränge "hierarchisiert", d.h. die Listings werden nach der Rangordnung gestaltet, wie sie sich Mitte des 17. Jh.s entwickelt hatte. Dies führt leider dazu, dass die osavuly vor den obozni aufgeführt werden. Diese Abfolge wäre für das 18. Jh. entsprechend umzukehren.