Organisation

Die Entwicklung der kosakischen Organisation ist zwar insgesamt eine komplexe Angelegenheit, an der viele Faktoren mitwirkten und Einfluß nahmen, sie kann aber kurz auf das Durchlaufen von drei Stufen vereinfacht werden:

  • Gruppe (dominierende Organisationsform bis in die 1570er Jahre)
  • Polk (Haufen bzw. Regiment; grundlegend für die Zeit 1570 bis 1638 [und später])
  • Vijs'ko (komplexe territoriale Organisation; grundlegend ab 1638)

Gruppe

Kosakengruppen, die sich alljährlich im Grenzsaum für das Steppengewerbe zusammenfanden, einen eigenen Führer (= otaman) für ihre 10 bis 20 Mann starke Gruppe wählten, waren der Urpsrung der Kosakenorganisation schon im 16. Jh. Die Gruppenmitglieder gingen dabei von dem Grundsatz der absoluten Gleichheit aller Mitglieder aus; die Wahl eines Führers war ein basisdemokratischer Akt, der nicht im Widerspruch zu diesem Grundsatz stand. Die Kosaken sahen in der Führung eine Notwendigkeit für das Überleben in der Steppe und sie stellten an ihre Führer hohe Ansprüche, denn die Existenz und Kampfeskraft der Gruppe hing wesentlich davon ab, ob man sich einig war und einer dem anderen zur Seite stand. Querulanten waren verpönt, alles wurde im Sinne der Gruppe geregelt. Zweifel am Zusammenhalt führte mit einiger Sicherheit entweder zum Zerfall der Gruppe oder es wurde ein neuer Führer gewählt. Die Gesetzlichkeiten des Gruppenwohls beherrschten die gesamte Geschichte der Kosaken bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Die Kosakengruppe bildet das Ferment ihrer Geschichte, denn sie war klein genug für die Realisierung kosakischer Ideale ebenso wie sie – v.a. im Verlaufe der ersten Hälfte des 17. Jhs. – zur Keimzelle einer territorialen kosakischen Organisation und Besiedlung des Grenzlandes wurde.

Die Rolle kosakischer Gruppen änderte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s. Ein Teil der Gruppen verdingte sich Adligen als Wächter oder Söldner (siehe unten: Polky), andere Gruppen gingen weiter dem saisonalen Geschäft der Steppenbeute nach; und eine dritte Gruppe wiederum scheinen bestimmte Regionen im Steppenvorland regelmäßiger aufgesucht zu haben, um hier Land urbar zu machen, aber auch Beutezüge in die Steppe zu unternehmen. Bald entstanden sog. Bienengärten, um die herum festere Gebäude und sogar Behausungen errichtet wurden. Die hieraus entstandenen festen Siedlungen zeigten schließlich seit den zwanziger Jahren des 17. Jhs. die Neigung zur sozialen Differenzierung. Mit dem größeren Zulauf von entflohenen Bauern aus dem Hinterland wurde Ackerbau verstärkt und es entstand eine soziale Schichtung von Bauern, Kosaken als Steppenbeutern, Kosaken, denen die Steppenbeute nur noch als Nebenerwerb diente und auch solchen Kosaken, die über größeren Grundbesitz verfügten. Zur gleichen Zeit entstanden auch "zivile" Ämter, nämlich Voigte und Bürgermeister.


Polk, im Sinne des "Haufens"

Unter Mithilfe sowohl der Tataren, deren Überfälle immer wieder ein höheres Maß militärischer Organisation forderte, als auch des polnisch-litauischen Reiches wurden die Kosaken im letzten Viertel des 16. Jh.s zu einem immer bedeutsameren Faktor im Kriegswesen. Der Aufbau einer Grenzverteidigungsorganisation, aber auch die zunehmende Bedeutung des Söldnerwesens führte dazu, dass Kosakengruppen entweder vom polnisch-litauischen Reich oder von polnischen Magnaten zu militärischen Zwecken angeworben und in größeren Formationen und über einen längeren Zeitraum unterhalten wurden. Diese Truppen in einer Stärke von ca. 500 Mann wurden die ersten Regimenter (besser: polky oder Haufen) in der kosakischen Geschichte. Ihre Führer waren Söldnerführer, deren Aufgabe es in erster Linie war, für ihre Truppe zu sorgen, sie zu ernähren und charistmatisches Vorbild zu sein. Ein Söldnerführer mit guten Kontakten zur polnisch-litauischen Obrigkeit konnte auf diese Weise bereits eine dauerhaftere Führungsrolle übernehmen als die früheren Führer der Steppenbeuter.

Die Polky waren zunächst nur als Personenverbände organisiert, wurden auf Zeit angeworben und nach einem Feldzug wieder entlassen. Kosakenführer erwarben sich Ansehen durch Erfolg, ihre natürliche Autorität und ihre Ansehen, ihre Truppe gut zu versorgen (Sold oder Plünderungen). – Eine Rolle, die sich mit dem "basisdemokratischen" Denken der egalitären Kosakengruppe zunächst noch in Deckungsgleichheit bringen ließ, denn schließlich konnte die Gefolgschaft durchaus aufgekündigt werden. Dieser Umstand machte die Polky der Söldnerzeit zu durchaus schlagkräftigen, aber auch amorphen Einrichtungen. Für die polnische Krone stellte sich das Kosakenheer deshalb schon bald als ein sehr zweischneidiges Schwert dar: Die häufig nur für kurze Zeit gebildeten kosakischen Söldnerverbände lösten sich nicht mehr auf, sondern begannen ein veritables Eigenleben zu führen, weil die Nachfrage nach Söldnern bei den Adligen eher stieg als sank.

Seit dem Ende des 16. Jh.s versuchte die Krone verstärkt das Heerwesen Polen-Litauens zu reorganisieren. Ziel war es dabei nicht nur, festere Organisationsformen im Heerwesen zu gewinnen, sondern auch die (übrigens die in ganz Europa beklagten) Nebenwirkungen des Söldnerwesens zu unterbinden. Ein politisches Mittel hierzu war die Umsetzung von Formen der Oranischen Heeresreform auf polnischem Gebiet, indem man eine neue Heeresorganistion aufsetzte. Truppenteile wurden nunmehr formal gegliedert, eine Befehlshierarchie eingeführt und ein Gehorsamscodex erstellt. Auch die Rangbezeichnungen wurden nunmehr konsistenter verwendet; – eine aus dieser Zeit stammende und über das Tschechische adaptierte Rangbezeichnung war der Begriff "het'man" (für Hauptmann), den letztlich auch die Zaporoher Kosaken für Ihre Heeresführer übernahmen. Die Begriffe "het'man" und "otaman" dürfen nicht miteinander verwechselt werden, war der eine aus dem Westen gekommen (* Hauptmann) und war begriffliches Symbol für den Ordnungswillen einer zentralen Gewalt, leitete sich der andere (* otaman, ataman) aus dem Turkotatarischen ab und war das symbol basisdemokratischer Herrschaft einer Gemeinschaft von Gleichen.

Die Oranischen Reformansätze konnten bei den Kosaken jedoch nicht sofort umgesetzt werden. Die ständigen Probleme der Demobilisierung der Söldnerheere v.a. wegen nicht nachlassender Kriegsaktivitäten bewogen Polen-Litauen jedoch in den 1630er Jahren dazu, die Zahl der geworbenen Kosaken zu senken und nur noch einen kleinen Teil von ihnen in einen regulären Grenzdienst einzubinden. Die festeren Organisationsformen drücken sich nicht nur darin aus, dass von dieser Zeit an sog. Dienstlisten geführt wurden ("Register" oder pln. "rejestr"), sondern dass sie in einer Grenzschutzorganisation eingebunden waren, deren Grundlage die grenznahen kosakischen Siedlungen waren. Auf diese Weise verband sich Sesshaftigkeit, Grundbesitz und militärisher Dienst zu einer Einheit. Die so entstandenen "Registerkosaken" wiesen als militärische Organisation spätestens ab 1638 eine territoriale Raumbindung auf; sie war gleichzeitig die Basis für eine höhere personelle Stabilität, denn wer von den Registerkosaken ausgeschlossen wurde, dem wurde auch eine wesentliche wirtschaftliche Grundlage entzogen: Sold und Land.


Vijs'ka / Heere

Aus den Registerkosaken geht spätestens im Verlaufe des Chmel'nyc'kyj-Aufstandes die komplexe Kosakenorganisation hervor, wie sie seit Mitte des 17. Jh.s feststellbar ist. Ihre Grundlagen sind das Heer der Zaporoher Kosaken (vijs'ko) mit einer abstraklten Führung für den gesamten Bereich der damaligen Ukraine, das territorialisierte Regiment (polk) um die wichtigsten Städte herum und einer darunter liegenden Feingliederung der polky in einzelne Hundertschaften (sotni) mit territorialer Bindung zu einem Ort und die Gruppe (kurinni), entweder als personelle Untereinheit (mehrere kurinni an einem Ort) oder ebenfalls an ein Dorf oder Weiler gebunden.

Obgleich das unter Chmel'nyc'kyj entstandene politisch-militärische Gebilde gerne als Kosaken-"staat" bezeichnet wird, sollte mit solch modernen Begriffen vorsichtig umgegangen werden. Zweifellos wurde Herrschaft ausgeübt, wie weit sich diese erstreckte, kann jedoch nicht definiert werden, schon gar nicht über mehrere Jahrzehnte hinweg. Führung basierte noch weitgehend auf personellen Beziehungen, die Autorität eines polkovnyks etwa war abgeleitet sowohl vom het'man als auch von der Zustimmung der örtlichen Kosakengemeinschaft. Vor allem in den nördlichen Gebieten, wo sich eine festere und seßhaftere Gemeinschaft von Kosaken herausgeschält hatte, verfestigte und formalisierte sich die Organisation des Kosakenregiments früh. Hier ist eher Stabilität festzustellen, was sich u.a. in einer dauerhafteren personellen Führung, in einem breiter gefächerten Offiziersstab, der offensichtlichen Weitergabe eines Amtes auf einen Sohn oder Verwandten und schließlich in den Anfängen einer kosakischen Oberschicht als soziologische Formation kundtat.

Südlich gelegenere polky hingegen zeichnen sich noch sehr lange durch das Übrwiegen personeller-charismatischer Führerrollen aus. Hier hat die Herausbildung eines komplexen Führungsstabes längere Zeit in Anspruch genommen und außerdem waren die Organisationsformen noch lange im Fluß. Sie wurde meist durchbrochen vom Wiederaufleben des Wahlgedankens, konkurrierender Führerpersönlichkeiten und bürgerkriegsähnlichen Erscheinungen mit dem üblichen Gegeneinander politischer Konzepte, deren Extreme einerseits durch die nördlichen Kosakenformationen andererseits aber durch das nach wie vor existierende egalitäre Leben der Steppenkosaken vorgegeben waren.